Wutanfälle, Tränen und Stille: Eine ehrliche Muttererzählung
- G.J.
- 25. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Das ist keine Geschichte über eine perfekte Mutter. Und auch nicht über ein perfektes Kind. Das ist die Geschichte einer ganz normalen Frau, die sich jeden Tag aufs Neue fragt, ob sie gut genug ist. Einer Frau, die ihr Kind mehr liebt als alles andere und die manchmal so müde ist, dass selbst Liebe weh tut.
Die Geschichte ist anonym, aber sie ist wahr, denn dieses Erlebnis teilen Tausende Frauen.
MORGEN, DIE BEGINNEN, BEVOR ICH ÜBERHAUPT WACH BIN
Mein Sohn ist drei Jahre alt. Er hat die schönsten Hände der Welt, klein, weich, voller Leben. Aber in denselben Händen trägt er eine Explosion, die ich manchmal nicht weiss, wie ich bändigen soll.
Jeder Morgen beginnt gleich: Er wacht auf und mein Körper weiss schon, dass es schwer wird. Als stünde ich bereits am Rand meiner Nerven.
An einem Morgen schien alles normal. Ich suchte seine Jacke heraus, er suchte sich Socken aus. Und dann plötzlich sein Schrei. Dieser Schrei, der alles in mir durchtrennt, sogar die Luft. Nicht wegen der Socken. Sondern wegen etwas völlig Alltäglichem, Banalem. Weil ich die Kühlschranktür zugemacht hatte, statt ihm die Chance zu geben.
Er warf sich auf den Boden. Weinte. Schrie aus dem Bauch heraus, aus der Seele. Und ich stand über ihm. Mit dem Gefühl, selbst kurz davor zu zerbrechen. Niemand sieht, was in mir passiert. Nach aussen stehe ich da. Schweigend. Atmend. Aber innen… Innen schlägt mein Herz wie im Dauerlauf, Gedanken überschlagen sich, und mein Körper wird hart wie eine Rüstung.
In meinem Kopf höre ich die Stimmen, die mich begleiten, seit ich Mutter bin: „Schrei nicht.“„Gib nicht nach.“„Reiss dich zusammen.“„Halte durch.“ Und dann wird alles still. Diese schwere, drückende Stille. Die Schlimmer ist als jeder Schrei. Nach jedem Trotzanfall habe ich das Gefühl, auf einem Schlachtfeld gestanden zu haben. Nach seinem Sturm kommt mein Zusammenbruch. Mein Schweigen. Meine Scham.
Ich setze mich auf die Bettkante, wenn er eingeschlafen ist, und frage mich: „War ich heute eine gute Mutter?“„Habe ich ihm geholfen oder habe ich ihn nur ausgehalten?“„Sieht er mich als Sicherheit…oder als Gewitter?“ Und die schlimmste Frage, die ich fürchte: „Ist das alles meine Schuld?“
Neulich hatte er den schlimmsten Anfall bisher. Er konnte sich nicht beruhigen. Sein Körper bebte, seine kleinen Hände waren kalt, seine Wangen nass. Und ich…ich sass neben ihm auf dem Boden, hielt ihn im Arm. Ich hatte keine Kraft zu reden. Alles, was ich hatte, war sein Gewicht auf meiner Brust und meine eigenen Tränen. Als er endlich müde wurde, flüsterte er nur: „Mama, geh nicht weg.“ Und ich…ich wusste nicht einmal, wohin ich überhaupt gehen könnte.
Die Wahrheit, die ich ungern ausspreche: Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein Körper mehr erträgt, als er eigentlich aushalten sollte. Als wäre ich ein gespanntes Seil, das jeden Moment reissen kann. Nicht weil ich ihn nicht liebe. Nicht weil er „schwierig“ ist. Sondern weil ich müde bin. Erschöpft. Emotional ausgebrannt. Manchmal frage ich mich, wo ich geblieben bin. Wo die Frau ist, die ich war, bevor dieser Kampf begann, der Kampf mit Tränen, die nicht meine sind, aber an meinem Herzen kleben.
Der Anfall vergeht. Er schläft ein, erschöpft wie nach einem Marathon. Und ich? Ich sitze im Dunkeln und spüre jeden Muskel, als hätte mich jemand geschlagen. Ich spüre die Schuld. Den Druck in der Brust. Das Gefühl, noch ein Stück tiefer gesunken zu sein als gestern. Und dann kommt wieder dieser Gedanke: „Was, wenn du nicht gut genug bist?“
DAS, WAS ICH ZUGEBEN WILL (ABER NIE ZUGEHE)
Manchmal fürchte ich den nächsten Trotzanfall, bevor er überhaupt geschieht. Als lebte ich in ständiger Alarmbereitschaft. Als wäre ich ein Soldat, der die Uniform nie ablegt.
Mein Körper erinnert sich an Geräusche, bevor mein Kopf überhaupt anfängt zu denken. Er kennt das Zittern seiner Lippe. Seinen ersten gepressten Laut. Die kleinen Hände, die plötzlich fest werden, als würde die Welt untergehen.
Doch für ihn geht die Welt in diesem Moment unter. Und deshalb zerreisst es mich jedes Mal ein Stück.
Es gibt Tage, da wache ich vor ihm auf und sitze am Bettrand, schon müde, bevor der Tag beginnt. Weil ich weiss, dass mich erneut etwas erwartet, von dem ich nicht weiss, ob ich es schaffe.
Niemand bereitet dich darauf vor. Niemand sagt dir, dass der grösste Kampf nicht der mit dem Kind ist, sondern der mit dir selbst. Dass du gleichzeitig Richter, Angeklagte und einzige Zeugin bist. Und dann kommen die leisen Momente. Er schläft. Ich sehe zu, wie er atmet. Wie seine Wimpern leicht vibrieren. Wie er aussieht, als wäre alles gut in dieser Welt.
Und plötzlich verschwindet alles: die Panik. Die Angst. Der Schmerz. Alles ausser der Liebe. Dieser riesigen, schweren, unermüdlichen Liebe, die mich jedes Mal neu zusammensetzt. In diesen Momenten denke ich nur: „Ich muss morgen nur noch einen Tag schaffen.“ Nicht perfekt sein. Nur schaffen.
Diese Geschichte schreibe ich nicht, um Ratschläge zu geben. Ich habe keine. Ich teile sie, weil ich mich allein fühle. Weil ich Ängste habe, die ich nicht aussprechen kann. Weil ich Gedanken habe, für die ich mich schäme. Weil ich mein Kind mehr liebe als mich selbst und es manchmal gerade deshalb so schwer ist.
Wenn du jemals über deinem schreienden Kind gestanden hast, während etwas in dir zerbricht… Dann weisst du, wovon ich spreche. Du kennst die Stille nach dem Sturm. Du kennst diese Art Müdigkeit. Du kennst das „Ich weiss nicht, ob ich noch kann.“ Und du weisst, dass Muttersein alles andere als leicht ist.
Wenn auch du einen Moment hattest, der dich gebrochen hat… Wenn du eine schwere Phase mit deinem Kind durchgemacht hast oder einfach eine Stille in dir trägst, dann teile deine Geschichte in der Mama & Woman Gemeinschaft.
Deine Worte können das Licht für eine andere Frau sein, die glaubt, dass sie allein ist.
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